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Herr Koch klopft auf den Tisch, blickt aber nicht in den Spiegel

Verfassungsbruch oder nicht? Einige Überlegungen anhand der Bundes- und Landesverfassung zur Debatte, ob die Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz verfassungsgemäß war oder nicht.

Wir erinnern uns: am 22.03.02 kam es nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses durch den damaligen Bundesratspräsidenten Wowereit zu tumultartigen Szenen im Bundesrat. Allen voran der hessische Ministerpräsident Roland Koch, betont empört auf seinen Tisch klopfend und "Verfassungsbruch!!!" skandierend.

Vorausgegangen war ein mehrmaliges Befragen der Mitglieder der brandenburgischen Landesregierung durch Herrn Wowereit, ob das Land Brandenburg dem Gesetz zustimme oder nicht. Zunächst von Alwin Ziel(SPD) bejaht, von Innenminister Schönbohm (CDU) jedoch verneint. Die nächste Anfrage des Präsidenten beantwortete Ministerpräsident Stolpe mit "Ja", erklärte also die Zustimmung des Landes.

Das Akzeptieren dieser Zustimmung durch Wowereit führte schließlich zu der Debatte um die Zulässigkiet dieses Abstimmungsverhaltens und zu dem Vorwurf, der Präsident habe die Verfassung gebrochen, die in Artikel 51 Abs. 3 eindeutig vorschreibt, daß die von einem Land abgegebenen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden können, ansonsten sind sie als Stimmenthaltung zu bewerten, was einer Nein - Stimme gleichkommt. Eine Enthaltung Brandenburgs hätte in diesem Fall also dazu geführt, daß das Gesetz, dem Willen der CDU entsprechend, abgelehnt worden wäre.

Die Verfahrensweise bei einer Anstimmung im Bundesrat ist so, daß die Stimmen eines Landes nicht einzeln von den anwesenden Mitgliedern, sondern gesammelt von einem Stimmführer abgegeben werden. Gleichzeitig besagt die Artikel 91 der Verfassung des Landes Brandenburg, daß der Ministerpräsident das Land nach außen repräsentiert. Der Bundesrat ist als Organ des Bundes aus Sicht des Bundesstaates Brandenburg durchaus als "außen" zu betrachten, woraus folgt, daß der Ministerpräsident sich als Stimmführer betrachten kann. Problematischer wäre dies beispielsweise, wenn es sich um Mitglieder der Hamburgischen Landesregierung handeln würde. In diesem Fall sieht die Artikel 43 der Landesverfassung vor, daß das Land durch den gesamten Senat und nicht durch den Ersten Bürgermeister repräsentiert wird.

Nimmt man die Stellung der Bundesländer und ihre Verfassungen ernst, so kann man durchaus zu dem Ergebnis kommen, daß das Vorgehen des Bundesratspräsidenten Wowereit verfassungskonform war, genau wie das von Herrn Stolpe. Die Tatsache, daß ein Koalitionsvertrag gebrochen wurde - was die CDU übrigens im Fall der großen Koalition in Baden-Württemberg gerne praktiziert hat - steht auf einem anderen Blatt und hat mit der Verfassungsproblematik nicht das Geringste zu tun. Es kann doch kaum angehen, daß die Unfähigkeit einer Landesregierung, einen Beschluß zu fassen, dazu führt, dem Bundesratspräsidenten dieses Problem zu übertragen.

Und, Herr Koch, wo Ihnen so viel an der Verfassung liegt, nehmen Sie doch mal den Großen Vorsitzenden Ihrer Partei beiseite und klopfen Sie gemeinsam eine Weile auf die Verfassung: vielleicht kommt ja dabei der Artikel 21 zum Vorschein. Und darin steht nun rein gar nichts von Ehrenworten und nicht existierenden jüdischen Vermächtnissen.


 

Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung; lesen Sie die Reaktionen der Hauptakteure während der Abstimmung nach.

 

Weiterführende Links zum Thema:

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
http://www.bundesregierung.de/top/dokument/
Dokumentationen/Grundgesetz/ix4222_.htm

Verfassung des Landes Brandenburg
http://www.brandenburg.de/land/mi/recht/lverf/index.htm

Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg
http://www.hamburg.de/StadtPol/Brgschft/html/nav/f_reg.html

Der Bundesrat im Internet
http://www.bundesrat.de

 

 

 





Grundgesetz

>> Artikel 51
>> Artikel 21

 

Verfassung Brandenburgs

>> Artikel 91


 

Verfassung Hamburgs

>> Artikel 43

 
 

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