a) Alte Werte in einer neuen Zeit
Das Gedicht "Mondreise" besteht, wie oben schon angedeutet, aus
einer Kette von Anspielungen auf die daoistische Philosophie und
eine ganze Reihe von mythischen Überlieferungen, die nicht nur dem
hochgebildeten Leser auffallen, sondern zu einem großen Teil auch
dem nicht literarisch ausgebildeten Chinenesen vertraut sind. Als
besonders populäre Beispiele hierfür dienen die Legende von Chang
Wo und Yi, von Wu Gang und natürlich das Bild vom Bohnenk-raut mörsernden
Mondhasen.
Nun begibt sich also das "Ich" auf eine Reise durch - oder besser
in - diese Welt der Mythen, gelangt zur Audienz bei Chang Wo, von
der es das Gefährt erhält, welches es sicher in die Ge-genwart geleiten
soll, und mit eben jenem Wagen gleitet es kurz vor der Ankunft aus,
über-schlägt sich und erwacht. Fast drängt sich dem Leser das beinahe
schon banale Bild eines Menschen auf, der sich im Schlafe gedreht,
den Arm schmerzhaft verrenkt hat und dadurch aufgewacht ist. Und
in welch krassem Gegensatz steht dies nun zu den hehren Bildern
aus dem Palastinnern, die uns gerade noch vor Augen schwebten. Diesen
kurzen Augenblick des Er-wachens nutzt Zhu Xiang, um dem Leser lächelnd
vor Augen zu führen, dass eine neue Ära auch neuer Werte bedarf
und nicht nur nach den alten Mustern gestaltet werden kann. Der
Wagen, beladen mit den Werten der Vergangenheit hat den Sprung in
die Gegenwart nicht geschafft.
Wie die Lehre des Han Feizi oder die des Mozi so nahm auch der
Daoismus eine wichtige Rolle wahr, als es nach dem Verfall der Zhou
- Herrschaft darum ging, neue Leitlinien zu entwickeln. Nun, zweitausend
Jahre später, befindet sich China wieder im gesellschaftlichen Umbruch
und Zhu Xiang spricht sich gerade mit diesem Gedicht dafür aus,
dass man sich, wie damals eben auch, wieder auf die Suche nach neuen
Orientierungspunkten machen sollte.
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