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    August 2002   
 

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Mondreise (Yue You), Zhu Xiang

c) Die Rezeption gesellschaftlicher Veränderungen

Nach all diesen Ausführungen bleibt immer noch zumindest eine Frage offen: warum zitiert Zhu so gut wie aussschließlich aus dem Bereich des Daoismus ? Bremste es die gesellschaftliche Weiterentwicklung nicht genauso, dass das Denken der Menschen noch stark den konfuzianis-chen Denkweisen verhaftet war ? Ein genauerer Blick auf die Inhalte der von Zhu als Anspie-lung gebrauchten Legenden mag hier eine Antwort geben.

Das Unsterblichkeitsideal

Ein sehr großer Teil des Gedichtes bezieht sich auf Inhalte aus der chinesischen Überlieferung, die mit dem Thema Unsterblichkeit, oder zumindest des langen Lebens, verknüpft sind.

- der weisse Hirsch ist ein Symbol für hohes Alter, langes Leben. Er lebt in den Wäldern und wird in einer Quelle als fünfhundert Lebensjahre zählend angegeben.

- Chang Wo hatte, nachdem Yi bei der Königinmutter des Westens etwas Lebenselixier für sich und seine Gattin erhalten hatte, dieses Fläschchen alleine geleert, als Yi nicht im Hause war, und dadurch gegen den Willen der Götter die Unsterblichkeit zurückerlangt. Die Unster-blichkeit wurde ihr nun nicht wieder genommen, jedoch musste sie ihr Dasein zur Strafe al-leine auf dem Mond fristen.

- auch Wu Gang hatte die Götter in seinem Streben nach ewigem Leben gegen sich aufge-bracht, und auch er wurde auf den Mond verbannt und zu ewigem Leben verdammt, bestraft mit einer Aufgabe, die den gleichen Charakter hat wie die Strafe, die in der griechischen Sagenwelt Sysiphus zugedacht worden war.

- die smaragdenen Pfirsiche (10. Strophe) werden als Früchte der Unsterblichkeit betrachtet, die von der Königinmutter des Westens (Xi Wang Mu) gehütet werden.

Der Begriff der Unsterblichkeit, das Überwinden der dem Menschen von der Natur gesetzten Grenzen, ja das Beherrschen der Naturgewalten sind eng mit der daoistischen Lehre verknüpfte Begriffe. Unweigerlich drängt sich die Assoziation mit der griechischen Sagenwelt auf, wo viele Katastrophen und Einzelschicksale ihre Ursache in der Hybris einzelner Individuen haben, die zuvor den Zorn der Götter auf sich gezogen hatten. Und hier kann man nun den Bogen schlagen zu Zhu Xiang und der damaligen Situation:

Auch in China hielt die Industrialisierung mit der Einführung der Elektrizität, dem Bau der Eisen-bahn, immer mehr Einzug. Es ist anzunehmen, dass Intellektuelle wie Zhu Xiang, der später ja auch nach Amerika ging, durch Briefkontakte und entsprechende Lektüre mit der Industrial-isierung und einigen Begleiterscheinungen, und auch mit der literarischen Rezeption im Ausland, in gewissem Masse vertraut waren. So, wie Zhu Xiang einen Wagen im Bachbett aus-gleiten lässt, hatten sich schon zahlreiche Eisenbahnwaggons überschlagen. Und sowohl Skepsis als auch Begeisterung für die neue Technik schlugen sich in der Literatur Europas und Amerikas nieder.

Schon der Titel des Gedichtes, "Mondreise", spricht einen alten Traum des Menschen an, die Grenzen seiner irdischen Existenz zu sprengen, zum Mond zu fliegen. Lag die Verwirklichung dieses Traumes zur damaligen Zeit zwar noch jenseits des Vorstellungshorizontes der meisten Menschen, so ist er im Kontext der Industrialisierung und technologischen Entwicklung doch immerhin etwas nähergerückt, gleichzeitig bleiben grundlegende philosophische Fragen der menschlichen Existenz - wie eben die oben erwähnte Frage, was denn eigentlich Realität ist und was nicht - aber noch genauso unbeantwortet wie schon vor zweitausend Jahren. Und so mag dann auch dieses Gedicht der Ausdruck einer gewissen Skepsis gegenüber der neuen Zeit sein, eine Mahnung nicht zu schnell voranzuschreiten und die natürliche Umwelt nicht aus den Augen zu verlieren.

Aber vielleicht, und hier beginnt das Spiel der Lyrik, ist die "Mondreise" auch nur ein einfacher "Traum von der Unsterblichkeit"....

(© M. Schmiedel)


 

Vorstellung des Autors Zhu Xiang / Übersetzung Teil I, Strophe 1-8 / Übersetzung Teil II, Strophe 9-17 / Grundsätzliche Fragestellung des Gedichtes / Alte Werte in einer neuen Zeit / Alter Stil beim Verfassen neuer Literatur / Die Rezeption gesellschaftlicher Veränderungen

 

 

 

 
 
 
 

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